Immer wenn man denkt, man hat etwas geschafft, dann kommt was Neues
Ich bin in den Keller vorgedrungen. Ich hatte einen ganz großen Karton, wo 2016 mein Fahrrad transportiert worden ist. OK, den hätte ich schon längst entsorgen können. Jetzt habe ich ihn endlich entsorgt und ich fand nun zwei Kisten. In diesen Kisten sind wieder gefühlt hunderte Bücher gelagert. Nein, es sind nicht so viele. Aber 40 Stück bestimmt und alles keine dünnen Heftchen, sondern richtige Schinken. Einfach mal in den Keller gelegt und dann? Was erhofft man sich davon? Denken viele Menschen, die Sachen lösen sich dann automatisch in Luft auf?
Ich weiß, ich hatte 4 Jahre Zeit gehabt, aber mein Job war so stressig, dass ich um jede ruhige Minute froh war. Klar hätte ich immer nur ein bisschen gemacht, so wie meine Mutter das mal sagte, dann hätte ich heute nicht so viel Stress.
Ich bewundere meine Mutter ja, dass sie sich so viel einsetzte und Briefe schrieb und so an die Stadt Essen und ihre Rechte als Rollstuhlfahrerin erkämpfte. Aber da trat auch eine Pflicht für mich zutage, die wohl in anderen Familien selten ist. Ablage. Meine Mutter verpflichtete mich zur Ablage zu machen. Also das Einsortieren von ihren ganzen Briefen in Aktenordner. Sie wolle das nicht alles mit den Betreuern machen, weil da viele private Sachen wären, also musste ich das machen. Ich hatte aber darauf keine Lust neben meiner damaligen Ausbildung noch Ablage zu Hause zu machen. Neben den Briefen hat sie noch unzählige Listen, wo sie was in Kisten / Kartons abgelegt hatte, auf der Schreibmaschine geschrieben, die auch abgelegt werden mussten (Ablage). 2016 habe ich schon unzählige Aktenordner meist in Klarsichthülle mit Inhalt vernichtet.
Ich hatte hier einen ganzen voll Wäschekorb neuer, unverpackte Prospekthüllen (also bestimmt mehr als 1000 Stück) und dann noch einmal die gleiche Anzahl im Keller gefunden. Bis auf eine Packung mit 100 Stück habe ich alles vernichtet. Wer braucht bei der Digitalisierung schon noch Prospekthüllen? Ich habe jetzt vier Jahre ohne Aktenordner (also physikalische) gearbeitet. So gesehen war der Job ein Traum.
Zu der Zeit war ich auch unterschriftsberechtigt. Wie gesagt, meine Mutter hat sehr viele Briefe geschrieben. Ich bin 2001 ausgezogen in die eigene Wohnung nach Altendorf. Weil ich verhindern wollte, dass ich nach der Ausbildung / Arbeit nicht noch eben bei ihr vorbeikommen musste, um Unterschrift zu leisten. „Ach komm mal eben vorbei, ich habe da einen Brief fertiggestellt, unterschreib mal (ach ja und vergiss die Ablage nicht)“. Daher bin ich in Essen auch weiter weggezogen, damit das nicht möglich war. Ich wollte ja auch mal mein eigenes Leben anfangen.
Ich musste mich ja auch ums Mittagessen (am Sonntag) kümmern, wo meine Mutter am liebsten jeden Handschlag von mir beobachten wollte und dirigieren wollte. Keine Ahnung, sie hatte in mir überhaupt kein richtiges Vertrauen – wahrscheinlich. Dabei war ich früher in der AG Hauswirtschaft in der Realschule. Aber trotzdem hatte sie kein Vertrauen in mir.
Den Geschirrspüler und den Müll musste ich auch immer raus bringen. Wie so war, habe ich mich als Jugendlicher darüber geärgert.
Ich bekam auch immer den Vorwurf, dass ich sie anstecken würde – also mit Erkältungen. Ich hatte seinerseits auch ein etwas schwaches Immunsystem und ging aber gerne zum Eishockey, ESC Moskitos Essen. Meine Mutter und der Betreuer verurteilten mich, dass ich zum Eishockey gehen (kalte Halle, da steckt man sich ganz schnell an). Weil ich einmal meinen sturen Kopf durchgesetzt hatte und meine Mutter auch da wegen der Erkältung krank war, musste ich die Nacht neben ihr verbringen, weil der Betreuer sagte, dass weil ich keine Rücksicht auf meine Mutter, sie wieder krank gemacht hätte.
Ich weiß, dass es ist Blödsinn und vielleicht habe ich das auch einmal ausversehn gemacht, dass ich sie angesteckt hatte, aber Vorwurf kam immer.
Dann musste ich sie auch immer betreuen, wenn sich der Betreuer mal aufs Ohr legte. Wenn er dann schlief, dann musste ich für ihn meine Mutter betreuen. Der Sohn hat diese Pflicht.
Nein, das war kein Betreuer von einer Firma. Das war jemand, den sie über den ASB kennenlernte und ihn irgendwie finanzierte, denn der ASB war schon lange draußen. Dieser Betreuer war von der anderen Sorte, Handwerker und verstand meine Welt des Kaufmanns nicht. Ein jahrelanger Kampf, der auch sehr bedrückend war. Außerdem trank der Betreuer dann viel Alkohol, den die Reinigungskraft (ist auch verstorben) fand und ihn zur Rede stellte. Er hat sich abends, nachdem meine Mutter im Bett in unserem Wohnzimmer voll (mit Alkohol) gemacht und gegen mich rebellierte. Der Betreuer hielt mich für faul.
Meine Mutter verstarb 2005.
Mein Vater war etwas gnädiger. Er war zwar mehr auf einer Linie mit mir, aber so richtig waren wir uns auch nicht nah. Die letzten Jahre vor seinem Tod waren etwas anstrengend. Richtig anstrengend war es dann mein Wunsch 2015 nach Belgien zu ziehen. Mein Vater war strikt dagegen. Es war aussichtslos gegen seine Meinung anzukämpfen, obwohl wir das hunderte Mal besprochen hatte. Ich durfte nicht.
Mein Vater verstarb Ende Januar 2016.
Auch wenn man das so nicht sagen darf, aber irgendwo für mich auch eine Erleichterung. Ich habe mich zwar früher auch so kleiden dürfen, wie ich wollte, aber mein Vater hatte immer irgendwie eine Meinung dazu. Wir waren 2014 in Paris. Es war super heiß an einem Tag im Oktober und mein Vater verpflichtete mich zum Tragen einer langen Hose. Er wäre sonst nicht nach Paris gefahren (wir haben außerhalb von Paris übernachtet).
Oder er sagte, als ich 30 Jahre alt war, ich müsse jetzt Poloshirts tragen. Das würde man in diesem Alter so machen, lange Hosen sowieso oder solche Sachen wie „du läufst ja so rum….“
Ich muss auch sagen, ich genieße die Zeit, eigene Entscheidungen zu treffen.
Daher ist jetzt mein Umzugswille, den ich endlich in die Tat umsetzen kann, nur allzu verständlich.
Ich möchte ein eigenes Leben anfangen. Die Wohnung hier und so, all das erinnert an alten Zeiten und ich habe bis auf die eigene Wohnung in Altendorf, eigentlich noch nichts mein eigenes aufgebaut. Ich möchte das auch so gerne. Daher hatte ich auch kein Mitleid mit dem Zertrümmern des Sofas und mit anderen Möbeln von meinen Eltern. Ich habe auch kein Mitleid von all den Sachen, die sie einst gehörten. Wenn ich dann hier endlich ausgezogen bin, dann bin ich auch super froh. Endlich was Eigenes.
Ich hoffe, so was wie die Agentur für Arbeit kommt mir nicht in die Quere. Die Mitarbeiter, die ganz häufig in anderen Sphären leben, haben auch ganz häufig ganz quere Ansichten, was für einem gut oder schlecht ist.