Arbeiten am Sonntag
Es geht mal wieder diese ewige Diskussion um die Ladenöffnungen am Sonntag durch das Land. Viele Städte haben die verkaufsoffene Sonntage verboten bzw. reduziert.
Und die Diskussion wird natürlich auch wieder sehr hitzig diskutiert.
„Sonntag gehört Papa mir“.
Ja, nur Pech wenn Papa oder Mama nicht im Einzelhandel, sondern bei der Polizei, im Krankenhaus, beim Rundfunk, Telekom oder bei der Zeitung oder in einen der vielen Kraftwerke oder einfach nur im Callcenter arbeitet.
Die Arbeit im Callcenter kann man am Sonntag noch am ehesten verzichten, aber die anderen Tätigkeiten? Würden sich die meisten freuen, wenn am Montag keine Zeitung herauskommt? Oder wenn wir alle im Dunkeln sitzen würden bzw. die Kühltruhe würde auch mal einen Tag keinen Strom bekommen.
Die einzige Zeitung, die am Montag nicht erscheint, ist die französische Tageszeitung „Le Monde“.
Unsere hoch geschätzte Kultur funktioniert dann auch nicht. Keine Mitarbeiter, keine Kassiererin, keine Aufsicht, niemand im Schwimmbad, niemand der im Kino den Film abspielen würde bzw. auch hier niemand an der Kasse. Oder sind das Menschen zweiter oder dritter Klasse, die da arbeiten müssen, auf Kosten anderer?
Natürlich geht es nur um den Konsum und diese ewige Kritik, dass Leute viel zu viel ausgeben würden (angeblich). Es geht nur darum. Es geht nur um den Verzicht. Einer schrieb in einem Forum, dass es nach seiner Fassung auch am Samstag keiner einkaufen gehen dürfe, weil das auch ein einkaufsfreier Tag sein müsste.
Gefühlt sind das alles Rentner, die den ganzen Tag Zeit von Mo bis Fr. shoppen gehen zu können oder sind das alles Leute, die nur 20 bis 30 Stunden am Tag arbeiten gehen? Oder sind das alles streng gläubige Menschen, die es bedauern, dass die Kirchen immer leerer werden? Oder was sind das für Menschen?
Ich möchte nur zu gerne mal wissen, unter welchen Lebensumständen solche Menschen, die so etwas fordern, leben?
Wenn das so ist,dann können auch die ganzen Bäckereien am Sonntag Vormittag schließen, denn da arbeiten ja auch Menschen. Aber wenn man das macht, besonders an den stillen Feiertagen, dann geht komischerweise immer ein Aufschrei durchs Land.
Ach so: Albert Heijn in den Niederlanden öffnet auch am Sonntag Mittag über für einige Stunden. Meine damalige russische E-Mailfreundin sagte, dass es ganz üblich in Moskau wäre, dass auch am Sonntag die Geschäfte offen wären.
Es ist doch aber niemand gezwungen einkaufen zu gehen. Allerdings bin ich auch nicht gezwungen ins Museum zu gehen. Natürlich prangern die Leute dann die Arbeitsbedingungen der „armen“ Verkäuferinnen an. Museen, Krankenhäuser, Polizei, Kraftwerke, Schwimmbäder und die Telekom bieten ihren Service auch die restlichen 6 Tage in der Woche an.
Und so arm sind sie auch nicht, die Verkäuferinnen. Aus einem Gespräch in der Straßenbahn habe ich mal raus gehört, als sich zwei unterhielten, dass eine deren Bekannte, die bei Kaufhof eine Stelle gefunden hatte, und zumindest einen Stundenlohn von (angeblich) 15 Euro hätte. Die Verkäuferinnen bei Aldi sollen auch nicht bettelarm sein.
Ausgerechnet die Leute, die in den Museen arbeiten, an der Kasse, die haben einen Verdienst von rund. 2.000 Euro brutto pro Monat, zumindest beim LWL, vom Callcenter mal ganz zu schweigen, wo Zeitarbeitsfirmen höchstens 9 bis 9,20 Euro brutto Stundenlohn zahlen. Aber von solchen Menschen wird erwartet, dass sie am Sonntag arbeiten, damit die anderen sich vergnügen können. Natürlich gibt es einen gewissen Zuschlag, der aber nicht mehr so üppig ausfällt, wie viele glauben.
Also all die Leute, die bei den Sachen, die von der Bevölkerung im Glauben gehalten wird, sie seien hochwertig, da muss ich da echt enttäuschen. Man muss sich die Stellenanzeigen mal anschauen und dann mal auf verschiedenen Seiten nach den Gehältern recherchieren. Wahrscheinlich waren viele Leute lange Zeit nicht mehr arbeitslos oder schauen sich nur die Jobs wo sie am allerliebsten arbeiten würden, was für sie attraktiv erscheint, denn sonst wären viele ziemlich erstaunt.
Eine Firma hatte mir einen Job angeboten, in einer Bäckerei, die einen Stundenlohn von 8,70 Euro erst nach sechs Monaten zahlen wollte, vorher 8,50 Euro. Ich will nur sagen, die Gewohnheit am Sonntag morgen seine Brötchen zu kaufen, ist muss nicht sein.
Von daher empfinde ich die Debatte um die Öffnungszeiten am Sonntag ziemlich verlogen, wie so viele andere Debatten in Deutschland auch. Im Kern mag sie richtig sein, aber viele denken nicht so weit und das ist schade.