Auf zu neuen Ufern
Ich habe wieder Bewerbungen abgeschickt, aber alle in den kaufmännischen Sektor, welchen ich ja 16 Jahre gemacht habe. Ich habe mir das wirklich gründlichst überlegt und ich fühle es, dass ich das wieder brauche. Wenn ich Kunden in der Hotline habe, beneide ich sie. Sie können in den Anwendungen herum klicken, sie benutzen und so. Das habe ich auch jahrelang gemacht. Der neue Berufsabschnitt soll wieder der Kaufmann sein.
Ich hatte am Sonntag mit einer Angebotskalkulation begonnen in C++ zu programmieren. Also vom Listeneinkaufspreis bis zum Listenverkaufspreis mit Lieferantenskonto, Lieferantenrabatt, Kundenskonto, Kundenrabatt, Gewinn, Handelspanne und so. Die Angebotskalkulation oder Vorwärtskalkulation war mein Steckenpferd. Ich konnte die vor meiner kaufmännischen Prüfung bei der IHK Essen rauf und runter beten. Man konnte mich nachts wecken und ich hätte sie in Tiefschlaf vollkommen richtig herunter gerechnet.
Ich kenne ja noch viele Buchungssätze, wie den ganz typischen Wareneingang, Vorsteuer an Kasse oder Verbindlichkeiten, Bank und so, Gewinn und Verlustrechnung, eine Bilanz aufstellen. Ok, die Buchhaltung lief schon damals über Programme und ich kann mir vorstellen, dass das Lager bald die Waren einscannt und Buchhaltungsprogramm hat schon in Millisekunden die Bilanz aktualisiert. Das wird bestimmt schon gemacht. Und bald legt der LKW Fahrer oder Roboter die Waren nur noch auf ein Förderband, die Ware wird eingescannt und dann vollautomatisch zur chaotischen Lagerführung ins Lager gebracht.
Der künftiger Lagerarbeiter hat eine Ausbildung für Datenbank und künstliche Intelligenz inne.
Kleinbetriebe, da wird es den typischen Lagerarbeiter noch lange geben, aber größeren, ab Mittelstand, ab 150 Mitarbeitern aufwärts, wohl noch immer seltener.
Damals bei meiner ersten Firma war ich im Lager, habe meinen Bibliotheksbestand verwaltet, meine Datenbanken mit MS Access aufgebaut (würde ich heute wahrscheinlich mit MySQL machen wollen), habe Bücher geschleppt, habe bei Firmenveranstaltungen mit geholfen beim Auf- und Abbau oder habe die Verschlagwortung für Produkte ins Internet gestellt oder habe Sachen fürs Controlling in Excel berechnet. Da war immer etwas Neues. Am Anfang der Aufgabe dachte ich immer, das schafftst du nicht so schnell und hinterher war es doch recht einfach.
Das hat mich auch immer ausgefüllt. Natürlich habe ich wie blöde geschwitzt, wenn ich meine Bücher herum transportiert habe und danach müde war. Aber ich tat etwas. Natürlich gab es auch Stress, wenn ich 20 oder 30 neue Duden Bücher registriert werden musste oder wenn Leute aufhörten, dann gab es auch ein Haufen neuer Bücher, die wieder zurück kamen und wieder aus dem Verwaltungssystem heraus genommen werden mussten – nicht die Bücher, sondern den Vermerk über den Besitzer des Buches.
Aber meine aktuelle Tätigkeit füllt mich auf Dauer nicht aus. Aus diesem Grund ist es gut, wenn das Vertragsende bald kommt, denn dann kann ich mich wieder nach solchen Jobs umsehen. Bei meinen kaufmännischen Tätigkeiten habe ich es auch immer geschafft, in Essen zu arbeiten.
Natürlich müsste man schauen, wie viele in der Coronakrise arbeitslos gewordene Kaufleute geworden sind. Damit meine ich wie groß da der Überhang ist. Einzelhandelskaufleute bestimmt, aber Bürokaufmann … habe ich bislang noch kaum etwas gehört.
Vielleicht mag so ein Itler das nicht vorstellen können, aber für mich war das sehr erfüllend. Alternativ wäre noch der Onsite-Service in Sachen IT eines großen Unternehmens. Das wäre auch noch interessant. Aber im IT Support kann ich mir keine weiteren 25 Jahre vorstellen. In 5 bis 10 Jahren wird der Level 1 Support nur noch von Chatbots in großen Unternehmen ausgeübt. Wenn die schwache und später die starke künstliche Intelligenz so weiter entwickelt wird, wird es keinen IT Support mehr durch Menschen geben. Der Kunde steckt sein Gerät an eine technische Verbindung und die Korrekturen werden vom System übertragen.
Programmiertechnisch ist schon heutzutage so einiges möglich. IT Support wird es nicht mehr von Menschen so lange geben.