Warum muss ich einem Personaler / Recruiter alles aufs Auge schmieren?
Ist das eine harte Behauptung? Ich finde nein. Ich habe gestern einen Bericht auf einer Webseite gelesen, dass man einem Personaler noch erklären muss, warum man nicht in seinem Heimatort wohnen möchte, sondern außerhalb.
Meine Bewerbung zeugt doch das Interesse für einen Umzug, warum muss ich das dem Personaler noch einmal auf’s Auge schmieren. Ach nein, private Gründe (die Liebe) soll man nicht erwähnen, weil sonst ein falscher Eindruck entstehen würde. Man zieht ja nur, um weil der Handwerksbetrieb in Kiel von 2 Mitarbeitern so tolle Arbeit gemacht hat (und man wohnt in München). Wer so denkt, sollte über sich selber nachdenken.
Mein persönlicher Eindruck ist, dass sie sich das ganz bequem machen. So nach dem Motto folgt dem Bewerbungsratgeber und dann habe ich ganz leichte Arbeit. Nein, das Leben ist nicht einfach. Natürlich kann man alle Bewerbungen aussortieren, die man nicht versteht. Aber vielleicht sind da die drunter, die den Job machen könnten und noch besser vielleicht ist das für diese Leute nicht nur ein Job, sondern eine Berufung, die sie mit Feuer und Flamme ausführen würden.
Es gibt diesen herrlichen Spruch: Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht.
Das Blöde ist: Es gibt tausende Bewerbungsratgeber im Internet und wahrscheinlich auch in Buchform. Jeder der mal eine erfolgreiche Bewerbung geschrieben hat, denkt er wäre der ultimative Bewerbungsexperte. Er hat dann die Weisheit mit dem Löffel gefressen. Ich bin inzwischen so weit, dass ich alle ignoriere, alle Bewerbungsratgeber und Bewerbung Coaches. Genauso gut könnten alle Menschen auch Meteorologen sein, denn Erfahrung mit dem Wetter hat ja auch jeder. Oder wir könnten alle Schlafexperten sein, denn schließlich schlafen wir doch jeden Tag – da sammel wir täglich neue Erfahrung.
Alles, was in irgendeiner Form schwammig ist, da meinen sich Menschen profilieren zu müssen – sich als Experten aufschwingen zu müssen.
In der IT und in der Rechtschreibung ist es einbißchen einfacher, denn der PC / der Duden versteht nur diesen einen Befehl / diese eine Syntax.
Wir vergessen immer alle: Wir sind alles einmalige Wesen. Jeder tickt anders. Nicht jeder kann der alle beste Bewerbungsprofi sein. Es ist keiner der absolute Bewerbungsprofi. Das ist eine Selbstbeweihräucherung hoch 100.
In diesem Land läuft sehr vieles schief und was das Bewerbungsverfahren angeht, sowieso. Jeder, der kein Personaler ist, macht drei Kreuze, wenn er endlich einen Job bekommen hat und auf diesen ganzen Scheiß nicht mehr angewiesen ist und sich dann endlich im Job wieder beweisen kann und nicht in diesem ganzen Bewerbungszirkus. Ich gehöre auch dazu. Ich bin auch sowas von froh, endlich diesen ganzen Bewerbungsscheiss hinter mir zu haben.
Die Arbeitslosigkeit ist nicht das Hauptproblem als solches, sondern das Hauptproblem wie erkläre ich IT-Supporter einem anderen Personaler genau, was ich kann, also einem Menschen, der das ganze jahrelang studiert hat. Eigentlich sollte doch der Studierte, so viel Menschengefühl mit sich bringen, dass er wissen sollte, dass derjenige, der eine Bewerbung schreibt, den Beruf des Personalers nicht studiert hat und sich nicht so perfekt ausdrücken wird (egal, wie viele Bewerbungsratgeber er gelesen hat). Oder hat man ihm, dem Personaler, das in der Uni nicht beigebracht?
Ich habe von meinen Anrufern hier im Helpdesk auch nicht erwartet, einen super ausgebildeten IT-Experten zu haben. Nach der Definition von Bewerbungsratgebern müsste jeder, der einen Helpdesk anruft, auch alle Vorgaben erfüllen, damit der Mitarbeiter im IT-Support auch alles ganz einfach hat.
Und ich sage: In den vier Jahren waren die wenigsten Tickets oder Anrufe einfach. Im Gegensatz zum Personaler, der sich absichtlich doof anstellt – verstehe ich nicht, also absagen, muss ich im IT-Support am Ball bleiben und sehr viele Nachfragen anstellen, damit ich das in meine IT-Sprache übersetzen konnte, was der Anrufer für ein Problem hat.
Ich bin auch kein Experte in Sachen Fahrräder. Ich gehe auch zum Fahrradhändler und sage wie neulich noch, dass da was nicht in Ordnung ist und der Fahrradhändler muss dann verstehen, was die Ursache sein könnte. Der Fahrradhändler hatte mich dann so lange Löcher in meinem Bauch gefragt, bis er das verstanden hatte und das Problem in Angriff nehmen konnte.
Aber nur bei Bewerbungen machen sich das die Personaler, gefühlt, immer sehr leicht. Wie gerade eben geschrieben: „Verstehe ich nicht, Absagen. Irgendeine Bewerbung werde ich wohl noch verstehen, die auf dem Stapel liegt“.
Der Personaler, der so vorgeht, sollte einen anderen Beruf machen. Wenn ich so im IT-Support gearbeitet hätte; ich hätte einen Anschiss von meinem Chef bekommen. Der Personaler hat da totale Narrenfreiheit. Er muss die Bewerbung nicht verstehen, denn der Bewerber muss da in seiner gewünschten und angepassten Form ihm schreiben.
Ich bin dafür, dass man nur noch Bewerbungen schreibt, wo man nur die Adresse des Empfängers und das Datum austauscht. Dann ist jede Bewerbung gleich und der Personaler muss sich auch nicht so anstrengen und ich als Bewerber auch. Das ist doch einfach.