Servicegedanken in der Stadtverwaltung

Servicegedanken in der Stadtverwaltung

Ich arbeite in der freien Wirtschaft. Hier wird auf jede Sekunde geachtet, Service zu bieten; man wird darauf gedrillt. Einerseits ist es auch richtig, aber andererseits könnte es etwas weniger sein. In der freien Wirtschaft gilt es ein guter Service 24/7, also 24 Stunden rund um die Uhr, 7 Tage in der Woche. Wobei mir wohler wäre eher 18/6.

Wer sich von diesen Servicegedanken immer mehr entfernt, sind unsere Behörden / Kommunen.

Hier in Essen gab es in fast jedem Stadtteil ein Bürgeramt, wo die Bürger ihre Angelegenheit nah erledigen konnten. Mit der Flüchtlingskrise hat die Stadt Essen fast alle Bürgerämter geschlossen. Jetzt sieht man jeden Morgen eine lange Schlange vor dem Bürgeramt an der Hollestraße, dem Hauptbürgeramt. Gleiches ist auch beim Straßenverkehrsamt in Steele zu sehen.

Es heißt immer so lapidar, wenn alle Termine im Internet (ja so modern ist man inzwischen) vergeben sind: „Ziehen Sie eine Nummer und vielleicht kommen Sie ja heute noch dran, aber bitte nur in unseren Arbeitzeiten von 10 bis 12 Uhr. Die restliche Zeit müssen wir mir Kaffeetrinken und Brötchen essen vertun.“

Nein, die armen Bediensteten müssen schon länger am Tag arbeiten, aber verglichen mit den Bedingungen in der freien Wirtschaft, ist das noch Steinzeit. Service? Tausende Formulare, natürlich nur auf Papier – wo kämen wir hin, wenn das alles elektronisch geschehen würde, ausgefüllt, unterschrieben und natürlich zeitnah hin geschickt, am besten persönlich abgegeben, denn sonst fehlt ja die Glaubwürdigkeit.

Aber was nicht direkt mit dem Bürgeramt zu tun hat, ist noch tiefste Behördenzeit. Die Stadtbibliothek hier in Essen öffnet von 10 Uhr bis 19 Uhr, am Samstag von 10 Uhr bis 14 Uhr. Am Montag ist sie selbstverständlich geschlossen. Das sollte man sich in der freien Wirtschaft erlauben. Nur die Frisöre machen das, aber macht das auch EDEKA oder REWE?

Das wäre ja ganz schrecklich, wenn die Stadtbibliothek bis 22 Uhr offen hätte.

Natürlich der Stadtangestellte freut sich, wenn er um 23.30 Uhr noch eine Bestellung in einem Callcenter telefonisch erledigen kann. Wehe da sitzt niemand; dann wird er aber wütend.

Und dann wird bei der kleinsten Möglichkeit alles verriegelt und verrammelt. Karsamstag ist die Stadtbibliothek immer zu, oder noch am besten; die Freizeiteinrichtungen sind dann geschlossen, wenn die Mehrzahl der Leute aus der freien Wirtschaft Urlaub haben (wie zum Beispiel zwischen Weihnachten und Silvester). Man hört dann immer die Stadtbediensteten müssen dann ihre Überstunden abbauen.

Welchen Sinn haben die Öffnungen in der Woche, wenn 99% der Menschen selber auf der Arbeit sind? Wenn man selber Urlaub hat, dann sieht man es: „Gähende Leere“ und dann wird gejammert, dass es alles zu teuer ist; man setzt den Rotstift an.

Am Wochenende, wenn die meisten Leute Zeit haben, dann ist alles zu. Die städtischen Hallenbäder öffnen meist am Sonntag von 8 bis 12 Uhr. Kein Wunder, dass die Leute zu den Spaßbädern hinfahren, denn die haben am Sonntag bis 22 Uhr geöffnet (ob das sein muss, ist die andere Frage, aber sie haben deutlich länger geöffnet als 12 Uhr).

Warum kann man in der Woche wo fast nichts los ist, die Öffnungszeiten da etwas kappen und dafür am Samstag und Sonntag länger geöffnet haben?

Wahrscheinlich ist das so ungewöhnlich und die arg verkrusteten Strukturen in der Stadtverwaltungen würden das niemals tolerieren. Das wäre ja ein ganz neuer Gedanke. Die Stadt als Serviceunternehmen. In der Stadtverwaltung herrscht der Gedanke: Das hat seit der Stadtgründung im Jahre 700 oder 800 immer so geklappt, also wird das auch noch so lange funktionieren bis die Sonne sich zu einem Roten Riesen aufgebläht hat und die Erde verschlucken wird. So lange wird der Gedanke in der Stadtverwaltung bestehen bleiben.

Oder man stellt mehr Personal ein? Das würde ja bedeuten, dass der Wintergarten für den Oberbürgermeister nie fertig werden, weil man das Geld für den Bürger ausgeben müsste. Das kann nicht der Ernst sein. Der Wintergarten hat oberste Priorität; der Bürger muss mit seinem Geld gerade stehen und der nimmt doch bestimmt allerlei Kürzungen gerne in Kauf; Hauptsache der Oberbürgermeister ist zufrieden.

 

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